TRIER. Langsam rückt er näher, der erste Advent. Dieser Sonntag wird für die evangelische Kirchengemeinde Trier und für die Stadt ein ganz besonderer Advent werden, denn mit dem Beginn des neuen Kirchenjahres wird auch die neue Orgel in der Konstantin-Basilika eingeweiht.
Lange hat es gedauert, bis die Palastaula des Kaisers Konstantin nach seinem Wiederaufbau nach dem zweiten Weltkrieg wieder ein Instrument bekam, das der Größe des Raumes angemessen ist. Jetzt ist es endlich so weit. Die Einweihung der großen Orgel, wie sie eigentlich schon nach dem Krieg hätte gebaut werden sollen, steht vor der Tür. Derzeit sind die Orgelbauer der Firma Eule aus Bautzen noch mit der so genannten Intonation und letzten technischen Arbeiten beschäftigt, weshalb auch die Basilika für die Besucher geschlossen ist. Gearbeitet wird rund um die Uhr, damit das Instrument am 30. November auch wirklich in voller Pracht erklingen kann. Intonation bedeutet, dass jede einzelne der über 6000 Pfeifen in die Hand genommen und so bearbeitet wird, dass ihr Klang zu den anderen Pfeifen und zum Raum passt.
Größer als alles andere in der Region
Warum überhaupt eine neue Orgel, die auch noch so groß wird, dass sie alle anderen Instrumente weit über die Region hinaus in den Schatten stellt. Sie hat vier Register mehr als die Orgel, mit der sich die Philharmonie in Luxemburg schmückt und sogar 20 Stimmen mehr als die Klais-Orgel im Trierer Dom. Von Anfang an war man sich eigentlich im Klaren darüber, dass die Orgel, die bisher in der Basilika ihren Dienst versehen hat, zu klein für den gewaltigen Raum war. Es war die Denkmalpflege, die es nicht gestattete, dort, wo bis zur Zerstörung des Gotteshauses schon eine große Orgel stand, wieder ein neues Instrument zu errichten. Eine Orgel hatte nach Behördenauffassung, an der Rückwand der Aula nichts zu suchen. Überhaupt wäre es wohl aus Sicht der Denkmalpfleger am besten gewesen, man hätte die Orgel unsichtbar machen können. Deshalb kam man auf die Idee, die Königin der Instrumente, wie Wolfgang Amadeus Mozart sie genannt hat, in der Fensternische über der Sakristeitür zumindest teilweise zu verstecken.
Die Schuke-Orgel mit ihren vergleichsweise bescheidenen 30 Stimmen hat es trotzdem geschafft Aufsehen zu erregen. Professor Karl Schuke hat hier ein Meisterwerk errichtet, das trotz des gewaltigen Raums noch eine beachtliche Klangfülle entwickelt. Allerdings ist das Instrument, bedingt durch seine Größe, stilistisch sehr eingeschränkt. Große Orgelwerke der Romantik lassen sich nicht darstellen, weil die Stimmen fehlen. Hinzu kommt, dass sie durch ihren Standort und ihrer Größe den Raum nicht wirklich so füllen kann, wie man es eigentlich erwarten sollte. Welche Wertschätzung dieses Instrument bis heute genießt, zeigt die Tatsache, dass sie erhalten bleiben, dass sie auch weiterhin ihren festen Platz in der Musik an der Basilika haben wird. Das hat auch für die neue, große Schwester einen Vorteil. Die Schuke-Orgel ist ein barock ausgerichtetes Instrument, exzellent geeignet für die Musik eine Johann Sebastian Bach oder eines Dietrich Buxtehude. Die Orgelbauer aus Bautzen konnten deshalb bei der Planung der neuen Orgel den Schwerpunkt ganz auf die Romantik und die zeitgenössische Musik legen.
Kein Cent aus Kirchensteuermitteln
Rund 3,4 Millionen Euro wird die neue Orgel kosten, von denen 633.000 Euro die Kirchengemeinde übernimmt. Den Rest bezahlt das Land Rheinland-Pfalz als Eigentümer des Gebäudes. Es mag manchen verwundern, dass der Staat Besitzer einer Kirche ist, aber das haben wir König Wilhelm Friedrich IV. zu verdanken, der 1856 die in seinem Auftrag in den römischen Zustand rekonstruierte Palastaula der evangelischen Kirchengemeinde zur Nutzung überließ, sie aber in seinem Besitz behielt. Als Rechtsnachfolger ging der Besitz an das Land Rheinland-Pfalz über. Keine ungewöhnliche Angelegenheit. So gehört etwa die Elisabethkirche in Marburg dem Land Hessen. Manch einem mag die Summe für ein Musikinstrument außergewöhnlich hoch erscheinen, ist es aber nicht, wenn man bedenkt, dass eine Orgel nach wie vor mit Masse in Handarbeit gefertigt wird. Schon in einer kleinen Orgel für eine Dorfkirche können leicht 4000 Arbeitsstunden stecken, wie auf Nachfrage der Bund Deutscher Orgelbaumeister mitteilte. Hinzu kommen die Materialkosten, insbesondere die Preise für Zinn und Blei, aus denen die Metallpfeifen hergestellt werden. Wichtig ist es der Kirchengemeinde, festzustellen, dass für den eigenen Anteil keinerlei Kirchensteuermittel ausgegeben werden. Die Summe werde allein durch Spenden, Orgelpatenschaften und Sonderaktionen wie Konzerte aufgebracht.
Eine große Orgel – am besten unsichtbar
Bei der äußeren Gestaltung der neuen Orgel hatte auch diesmal wieder die Behörden das sagen. Normalerweise reichen Orgelbaufirmen einen selbstgefertigten Entwurf für das Aussehen, den so genannten Prospekt beim Auftraggeber ein. Bei der Basilika wurde ein Architektenwettbewerb ausgeschrieben. Die Auftragsstellung lautete auch heute wieder, dass die Orgel so unscheinbar wie nur irgend möglich zu sein habe. Kein leichtes Unterfangen, bei einem Instrument, dessen größte Pfeifen nahezu 10 Meter lang sind und dessen Gesamtgewicht bei 32 Tonnen liegt. Die Nase vorn hatte der Stuttgarter Architekt Professor Carlo Weber, dessen Entwurf den zuständigen Behörden am besten gefiel. So hängen nun drei gewaltige Kästen mit einem Rauminhalt von insgesamt etwa 540 Kubikmetern an der Rückwand des Kirchenraumes, in denen das Instrument sein zuhause findet. Vier Manuale, also Tastenreihen, die mit den Händen gespielt werden, und ein Pedalwerk (für die Füße) erhält die Orgel. Drei der vier Manualwerke stehen in sogenannten “Schwellkästen”. Das sind in sich geschlossene, separate Gehäuse, die an der Frontseite mit Jalousien versehen sind. Über einen Tritt am Spieltisch können diese Jalousien stufenlos geöffnet oder geschlossen werden, wodurch der Organist die Lautstärke regulieren kann. Diese Vorrichtung ist gerade für die romantische Musik sehr wichtig, da in dieser Zeit sehr viel mit fließender Dynamik gearbeitet wurde. “Musikalisch wird die neue Orgel da anfangen, wo die alte Orgel aufhört, nämlich bei der Klassik, der Romantik und der Moderne”, sagte bei der Projektvorstellung ein Vertreter der Firma Eule.
Ein glanzvolles Instrument ohne Glanz
Lange Zeit war die gesamte Rückwand der Basilika eingerüstet, damit die Orgelbauer trotz schwindelerregender Höhe sicher arbeiten konnten. Inzwischen sind die Gerüste abgebaut und der Blick zur Orgel ist frei. Jetzt sieht man, dass der Architekt Weber, der im Mai dieses Jahres verstorben ist, Recht hatte. Die drei Gehäusekästen fügen sich tatsächlich nahtlos in die Architektur ein und bilden keinen aufmerksamkeitsheischenden Kontrapunkt zum historischen Gebäude. Eine Sache aber macht dann doch stutzig. Der Stolz einer jeden neuen Orgel sind die edel glänzenden Frontpfeifen, der so genannte Prospekt. Für die Prospektpfeifen nimmt man genau aus diesem Grund in der Regel einen höheren Zinnanteil als für das Pfeifenwerk, das im Innern der Orgel steht. Dies ist auch in der Basilika so geschehen. Dann aber kam die Denkmalpflege und hat die Orgelbauer aufgefordert, das äußere Pfeifenwerk mit einer Säure zu patinieren, damit die Pfeifen ihren Hochglanz verlieren und nicht so auffällig sichtbar sind. Da fragt man sich schon, wie weit die Denkmalpflege gehen sollte. Zweifellos hat das konstantinische Gebäude Schutz verdient. Tatsache aber ist auch, dass dieses Gebäude seit über 150 Jahren ein Kirchenraum ist und eine Orgel nun einmal zu einer christlichen Kirche dazu gehört. Jetzt bekommt die Konstantin-Basilika ein glänzendes neues Instrument, das optisch nicht glänzen darf. Eine Orgel, die sicherlich viel Aufsehen erregen und viele zusätzliche Besucher anlocken wird, die man, wie schon die Schuke-Orgel vor 52 Jahren, besser nicht sehen soll.

Fast schon schmutzig sehen sie aus, die patinierten Prospektpfeifen der neuen Orgel. Deutlich treten jetzt die Lötnähte hervor, die man ohne Patina kaum sehen würde.
Der Effekt, den diese Aktion hat, sieht man recht deutlich. Nicht nur, dass die Prospektpfeifen ihre optische Brillanz verloren haben und jetzt fast schon ein wenig schmutzig aussehen. Bei den größten Pfeifen sieht man jetzt auch deutlich, dass sie, bedingt durch ihre Länge, aus mehreren Teilen bestehen. Normalerweise würde die Lötnaht nicht auffallen. Da steht dann doch die Frage im Raum, wem die Behörden hier einen Gefallen getan haben.
Dem Klang wird das nichts anhaben. Am 30. November wird sie um 10 Uhr in einem festlichen Gottesdienst eingeweiht und am Nachmittag wird um 17 Uhr der Kantor der Basilika, Martin Bambauer, ein erstes Konzert geben. In der ganzen Adventzeit wird es dann Konzerte und musikalisch besonders gestaltete Gottesdienste geben, in denen “die Neue” sich von allen klanglichen Seiten zeigen wird. Und im Sommer wird die evangelische Kirchengemeinde auch endlich wieder zu ihren sommerlichen Orgelkonzerten einladen. Dann werden zwei Königinnen die Zuhörer erfreuen.
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Bildquelle: Gerhard W. Kluth