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Am Ende läuteten die Glocken

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BERNKASTEL-KUES. Vor fünfeinhalb Jahrhunderten starb Kardinal Nikolaus von Kues. Ob er sich je hat träumen lassen, dass in dem Haus, in dem er geboren wurde, einmal klassische Konzerte durchgeführt werden, darf man bezweifeln. Eine geeignete Kulisse aber ist die gute Stube von Kues auf jeden Fall.

Von Gerhard W. Kluth

Mit großen Namen aus der Musikwelt kann sich das Mosel Musikfestival schmücken und die Künstler schmücken sich ebenso damit, wenn sie schon einmal dort aufgetreten sind. Aber Intendant Hermann Lewen legt auch großen Wert darauf, junge Künstler in sein Gesamtprogramm aufzunehmen, die erst am Anfang der Karriereleiter stehen, trotzdem aber dem Publikum etwas zu sagen haben. Am liebsten ist es ihm, wenn diese Musiker dann auch noch aus der Region kommen, wie die junge Pianistin Kathrin Klein aus Idar-Oberstein. Ein gänzlich unbeschriebenes Blatt ist Klein mit mehreren Wettbewerben, auf denen sie ausgezeichnet wurde, nicht mehr, aber der Karriereweg einer Pianistin ist steinig und viele Buhlen um die Gunst des Publikums. Die Matinee Kleins im Cusanus-Geburtshaus zeigte, dass sie mit ihrer Interpretation von Paul Hindemiths Sonate Nr. 3 und vor allem von Kompositionen Olivier Messiaens etwas zu erzählen hat.

Eine Doppelfuge, die sich gewaschen hat

Das erste, was auffiel, war die Tatsache, dass Klein sehr gut mit dem großen Raum im Geburtshaus des Kardinals umgehen konnte. Das gelang bisher durchaus nicht allen Pianisten. Es brauchte auch bei ihr ein wenig, als sie mit Ludwig van Beethovens Opus 110 ihr Rezital eröffnete. Mit dieser vorletzten Sonate des großen Meisters hatte sie sich allerdings auch allerhand vorgenommen. Dem As-Dur Werk folgte dann Hindemiths Sonate, von deren vierten Satz der Komponist selbst sagte: “Eine ausgewachsene Doppelfuge, die sich gewaschen hat.” Keinerlei Probleme hatte Klein, sich in dem Geflecht dieser Fuge zurecht zu finden, bei der Max Reger deutlich Pate gestanden hatte. Den Anforderungen, die Hindemith an sie stellte, wurde sie durch und durch gerecht. Dies galt auch für die übrigen drei Sätze, wobei ihr ganz besonders im dritten Satz der zarte, beschließende liedhafte Teil sehr schön gelang.

Wer sich mit den großen Klavierkomponisten befasst, bei dem darf ein Johannes Brahms nicht fehlen. Klein hatte sich von ihm die acht Klavierstücke, Opus 76, ausgewählt und konnte auch hier auf ganzer Linie überzeugen. Die verlangte Virtuosität stellte keine Hürde dar und die pastellfarbige Innigkeit im ersten Intermezzo gelang ihr ergreifend. Auch hier zeigte sich wieder, wie gut sich Klein auf den Flügel des Geburtshauses eingestellt hatte. Häufig stellen sich andere Pianisten nicht auf die recht harte Akustik des Raumes ein, passen ihr Spiel nicht den Gegebenheiten an. Anders bei Klein. Auch sie spielte, wenn vom Komponisten gefordert, ein kräftiges Forte. Nie aber so stark, dass es ihre Zuhörer hätte erschlagen können.

Schwerste Anforderungen ohne sichtbare Mühe

Wer nach Brahms davon ausging, dass der Höhepunkt überschritten war, der sollte sich getäuscht sehen. An das Ende ihres Rezitals hatte Klein zwei der insgesamt “Zwanzig Blicke auf das Jesukind” von Olivier Messiaen gesetzt. Messiaen, der 1992 in Paris verstarb, gilt als einer der einflussreichsten und zugleich ungewöhnlichsten Repräsentanten des französischen Musiklebens im 20. Jahrhundert, wobei sein Einfluss weit über die Grenzen der Grand Nation hinausging. Musik ohne intellektuellen Tiefgang gibt es bei ihm nicht. Vielleicht mit ein Grund, warum sich viele Musiker an sein Schaffen erst gar nicht heran wagen. Klein hatte sich die Nummern 16 und 10 aus dem insgesamt zweistündigen Zyklus ausgesucht. Überschrieben waren sie mit “Blick der Propheten, der Hirten und der Weisen”, sowie “Blick des Geistes der Freude”. Sehr schnell wurde deutlich, warum Klein 2011 beim Bundeswettbewerb Jugend musiziert neben dem ersten Preis für Klavier solo auch einen Sonderpreis für die Interpretation von Messians Werk erhalten hatte. Diese Tiefe, mit der sie das komplexe Geschehen schilderte, diese Ausdrucksstärke in ihrem Spiel ließ ihr großartiges technisches Können fast ein wenig in den Hintergrund treten, obwohl ohne diese Qualitäten diese großartige Interpretation natürlich nicht möglich wäre. Aber auch das ist ein Zeichen für das hohe Niveau, auf dem sich Klein bewegt. Schwerste Anforderungen meistern ohne sich die Mühe anmerken zu lassen. Und als wäre das alles noch nicht genug, bedankte sich Klein für die begeisterte Zustimmung ihres Publikums noch mit Maurice Ravels “La Vallée des Cloches” und läutete damit ihren großen Auftritt aus, der ein wirkliches Erlebnis war.

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Bildquelle: Gerhard W. Kluth


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