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Ein Abend von Sehnsüchten und Enttäuschungen

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BERNKASTEL-WEHLEN. Das ehemalige Kloster Machern in Bernkastel-Wehlen ist die Keimzelle des Mosel Musikfestivals. Hier nahm vor 29 Jahren das Festival seinen Anfang, damals noch als Moselfestwochen. Bis heute veranstaltet Intendant Hermann Lewen im Barocksaal des Klosters Konzert mit großen Musikern aus aller Welt. Viele Besucher genießen die intime Atmosphäre und die Nähe, die sich zu den Akteuren ergibt. So auch beim Schubert Liederabend mit Klaus Florian Vogt.

Von Gerhard W. Kluth

Einer der wichtigsten Komponisten der Romantik war Franz Schubert. Jener Komponist, der 1797 als 13. von 16 Kindern das Licht der Welt erblickte. Der Sohn eines Lehrers und einer Köchin komponierte mit nur 13 Jahren seine erste Klavierfantasie, mit 14 folgte ein Streichquartett. Er stieg also schon sehr früh in die Königsklasse der Kammermusik ein. Ein wichtiges Element im Schaffen Schuberts ist das Kunstlied. Rund 600 Lieder hat Schubert in seinem recht kurzen Leben von knapp 32 Jahren komponiert. Darin enthalten sind auch die berühmten Zyklen “Die Winterreise” von 1827 und “Die schöne Müllerin”, den er schon 1823 zu Papier brachte. Basis sind bei beiden Zyklen Gedichte des deutschen Dichters Wilhelm Müller aus Dessau. Bei der Schönen Müllerin darf man davon ausgehen, dass der Dichter von sich selber erzählt. Verarbeitet wird wohl seine unerfüllte Liebe zu Luise Hensel, die ebenfalls Dichterin war.

Liederabende sind beim Mosel Musikfestival eher die Ausnahme. Wenn doch einmal einer auf dem Programm steht, kann man davon ausgehen, dass etwas wirklich Besonderes geboten wird. So wie jetzt im Kloster Machern. Niemand geringeres als der Tenor Klaus Florian Vogt stand auf der Bühne und besang das Glück und das Leid des jungen Müllergesellen, ließ das Publikum im ausverkauften Saal die Sehnsüchte und die Enttäuschungen miterleben. Trotz tropischer Temperaturen herrschte teilweise eine atemlose Stille im Barocksaal. Ein deutliches Zeichen dafür, dass Vogt sein Publikum mitgenommen hatte auf die Wanderschaft entlang des Baches hin zur Mühle, wo sich die schöne Müllerstochter fand. All die Hoffnung und die Verzweiflung ließ Vogt seine Zuhörer intensiv miterleben.

Das war so nicht unbedingt zu erwarten. Vogt ist ein Heldentenor und besonders die Partien von Richard Wagner haben ihn berühmt gemacht. Aber ein Liederabend ist eben etwas anderes als die Rolle eines Parsifals oder eines Lohengrin. Wer Vogt in diese Schublade gesteckt hatte, wurde in Machern beeindruckend vom Gegenteil überzeugt und musste bei dem 44jährigen Schleswig-Holsteiner abbitte leisten. Leichtigkeit, Eleganz und eine große Portion Natürlichkeit zeichneten seine Interpretation aus. Vogt ließ die Lieder aus sich heraus leuchten. Nichts erschien übertrieben, an keiner Stelle gab es Dramatik, die vom Komponisten oder Dichter nicht gewollt war. Und noch etwas fiel überaus angenehm auf. Vogt stellte sich nicht in den Mittelpunkt. Er trat hinter der Musik zurück, war ein Vermittler. Ein Charakterzug, den man längst nicht jedem großen Künstler zusprechen kann.

Getragen wurde Vogts Rolle von seinem Partner am Flügel, Jobst Scheiderat. Schneiderat wusste bestens mit dem nicht ganz leicht zu handhabenden historischen Flügel in Machern umzugehen. Vogt und er sind ein eingespieltes Team, bei dem sich einer auf den anderen absolut verlassen kann. Auch Schneiderat glänzte durch seine Zurückhaltung und erwies sich gerade dadurch als ein Meister in der hohen Kunst des Begleiters. Es wunderte nicht, dass es nach „Des Baches Wiegenlied“, dem letzten Lied des Zyklus Ovationen und Bravorufe gab.

Bildquelle: Gerhard W. Kluth


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