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Ist Trier barrierefrei? Eher nicht!

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TRIER. Viel wurde in den letzten Wochen und Monaten über die Inklusion geredet. Auch die Barrierefreiheit wurde in diesem Zusammenhang oft genannt. Doch wie barrierefrei ist die Stadt Trier? Unser Redakteur Bastian Lütge setzte sich für einige Stunden in den Rollstuhl und machte den Selbsttest.

Von Bastian Lütge

Strahlender Sonnenschein in Trier. Ideales Wetter für einen Selbstversuch. So dachte ich noch zu Beginn des Tages. Um 10 Uhr hatte ich mich mit meinen Kollegen Christoph Witt und Yannick Schwaab an der Porta Nigra getroffen. Hier sollte unsere Stadtrundfahrt beginnen.
Der Plan stand: Porta Nigra, Stockplatz, Dom, Basilika, Kaiserthermen, Innenstadt. Strammes Programm für mich. Jemand, der zuvor zweimal im Rollstuhl saß und dessen Arme ca. den Durchmesser einer Cola-Flasche haben – einer 0,5 Liter-Flasche. Dazu die Sonne, die ich nicht so stark eingeschätzt hatte.

Erster Punkt: Porta Nigra. Hätten die Römer nicht mal an Fahrstühle denken können? Leider keine Chance auf das Wahrzeichen der ältesten Stadt Deutschlands zu kommen. Aber wenigstens das anliegende Museum am Simeonstift ist behindertengerecht ausgestattet.
Es rollt sich noch gut über den Vorplatz. Doch schon zu Beginn der Simeonstraße fangen die Strapazen an. Das Kopfsteinpflaster ist eine Katastrophe für einen Rollstuhlfahrer, allerdings nicht zu ändern in einer Stadt, die acht Eintragungen in der Welterbestättenliste der UNESCO hat.

Breite Eingänge am Dom. Für einen unerfahrenen Rollstuhlfahrer ein Traum. Auch wenn mir der Weg zur Krypta und den höher gelegenen Bereichen durch Treppenaufgänge versperrt wird. Also nur ein kurzer Aufenthalt beim Bischof. Weiter Richtung Basilika. Vor der Rappelkiste in der Liebfrauenstraße ein Problem. Wie komme ich mit meinem Rollstuhl über den Bordstein, da sich der Fußweg meiner Meinung nach auf ca. 40 cm Breite verengt? Auch wenn der Verkehr an dieser Stelle Triers nicht so rege ist, muss ich auf die Straße ausweichen. Ich habe zwar wie ein Auto vier Reifen (ich zähle die Lenkräder mal mit), fühle mich aber trotzdem unwohl.

Beim Überqueren der Straße am Zebrastreifen in Richtung Basilika erstmals keine Probleme. Abgesenkter Bordstein fast bis auf die Straße. Gut für mich. Auch der Weg Richtung Eingang der Basilika – ohne Probleme zu erreichen. Trotz Baustelle am Hauptportal. Rampen auf dem Weg zum Palastgarten. Anstrengend für mich – für jemanden, der täglich im Rollstuhl sitzt wahrscheinlich kein Problem. Die Sonne brennt und ich gerate echt ins Schwitzen.

Keine Chance: Hier muss ich auf die Straße ausweichen.

Keine Chance: Hier muss ich auf die Straße ausweichen.

Aber das herrliche Drumherum in Triers wohl schönstem Garten motiviert mich noch einmal. Auch wenn der geschotterte Weg südlich der Basilika nicht gerade dazu einlädt, längere Strecken Richtung Kaiserthermen auf mich zu nehmen. Daran hindern mich auch die Treppenstufen. Ich muss also “außen rum”. Für eine Stadtrundfahrt unglaublich anstrengend.

Vom Palastgarten biegen wir rechts ab. Über den Busparkplatz in der Weberbachstraße geht es Richtung Innenstadt zurück. Nicht allerdings ohne ein Manko an der Parkplatzausfahrt zu finden. Breite Wasserabläufe verleiten die Reifen quasi dazu, stecken zu bleiben. Liebe Stadt, da muss eine andere Lösung her.

Auch die Beschilderung der Trier Galerie muss verbessert werden. Im Erdgeschoss fehlt mir der Wegweiser zum Aufzug, der im Obergeschoss jedoch vorhanden war.

Die Innenstadt verläuft dann jedoch ohne weitere Auffälligkeiten. Auch wenn ich verwunderte Blicke auf mich ziehe, als ich plötzlich aus dem Rollstuhl aufstehe, um mit Mitarbeitern von “Ärzte ohne Grenzen” zu sprechen und den Rollstuhl ein wenig zu säubern. Ich hatte nämlich bei einer Unachtsamkeit in Verbindung mit widrigem Untergrund in der Nähe des Palastgarten das Gleichgewicht verloren und mich auf den Rücken gelegt. Zum Glück für mich hatte Christoph seine Kamera gerade nicht an.

Letzte Hürde unserer Rundfahrt: die neu gestaltete Treviris-Passage. Ich dachte eigentlich, neu gleich besser. Aber die hohen Bordsteine schrecken mich dann doch ab. Nur an einer Stelle ein abgesenkter Bordstein. “Abgesenkt”. Runter kommt man wohl, ob es mit dem Hochkommen auch so einfach wird, ist für mich fragwürdig. Hätte man besser machen können.

Unterwegs treffe ich noch auf einen Rollstuhlfahrer, den ich vom Rollstuhlbasketball kenne. Was er mir berichtet, kann ich fast nicht glauben. Ich hatte bisher auch nicht an solche Sachen gedacht. Der Trierer Hauptbahnhof hat kein behindertengerechtes WC. Bitte was? Ein Hauptbahnhof einer Großstadt ohne Toilette für Behinderte? Ein absolutes No-Go. Auch die Erreichbarkeit der regelrechten “Bushalteinseln” ist eine Farce. Hohe Bordsteine, die unmöglich zu überwinden sind.

Nach drei Stunden, für mich gefühlt ein ganzer Tag, endet unserer Rundgang da, wo er begonnen hat. Ich bin platt, ziehe aber trotzdem noch ein Fazit: Es muss sich nicht alles, aber vieles ändern.
Wir können und dürfen es uns in der heutigen Zeit nicht mehr erlauben, Menschen in Rollstühlen so auszugrenzen und zu benachteiligen, wie es die Stadt Trier an einigen Stellen tut.

Und diese Änderungen sind sicherlich auch ohne große finanzielle Mittel realisierbar.

Bildquelle: lokalo.de


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